„Langlaufende Verträge für einen monatlichen fixen Betrag“ ist das Stichwort. Das ist letztendlich ein Abo-Modell. Und Abos fallen jedem Unternehmer doch als erstes ein, wenn es darum geht, auf die Bremse zu treten. Und am Marketing spart man bekanntlich auch zuerst.
Da 90 Prozent unseres Umsatzes auf dieser Art von Zusammenarbeit beruht, hätte eine Beendigung der Abos das Unternehmen auf eine lange Reise ins Ungewisse befördert. Deshalb bin ich proaktiv auf unsere Kunden zugegangen und habe sie gebeten, uns so schnell wie möglich mitzuteilen, wenn sie darüber nachdenken, unsere Abos aufzulösen.
Doch über Kürzungen bei uns dachte von unseren Kunden niemand nach – selbst wenn das eigene Geschäft einen Einbruch erleiden sollte. Die Gründe dafür sind vielschichtig, aber als der Wichtigste wurde mir genannt, dass wir so nah an den Kernprozessen dran sind, dass diese weiterlaufen müssen.
So läuft unser Berufsalltag zu unserer aller Überraschung fast ab wie immer: Wir haben so viel zu tun wie vor der Corona-Zeit, wenn nicht sogar mehr. Finanziell profitieren wir von dieser Mehrarbeit zwar nicht, denn wir arbeiten für monatliche Flatrates, d.h. wir bekommen für die Mehrarbeit kein Geld. Aber wer will sich in diesen Tagen darüber beschweren.
Wir konnten uns problemlos auf die unvorhergesehene Situation einstellen: Das liegt daran, dass unsere Zusammenarbeit schon immer auf Vertrauen beruhte, dezentral organisiert sowie stark auf die Lebensphasen der einzelnen Mitarbeiter zugeschnitten war.
Ein früherer Mitarbeiter hat oft den Spruch „Die Planer planen, das Leben lacht“ verwendet. Nicht ganz unpassend. Zunächst waren wir mit tollen Plänen in dieses Jahr gestartet, dann kam Corona. Aber auch in dieser Situation verlief alles zu 180 Grad anders als wir es erwartet und befürchtet hatten. Stattdessen hat uns der ganz normale Alltagswahnsinn eingeholt.
Man sollte jetzt noch mehr versuchen, sich in andere hineinzuversetzen:
Jemand, der in einer großen Wohnung wohnt, ohne sich um Kinderbetreuung kümmern zu müssen, ist sicher in einer besseren Lage als eine alleinerziehende Person mit kleinen Kindern. Diese Umstände darf man nicht vergessen, wenn man Statusmeetings hat, Zeitpläne aufstellt oder den Output seiner Mitarbeiter betrachtet.
Besonders im Zusammenhang mit Punkt 1 ist es wichtig, die Aufgabenverteilung und die Ziele anzupassen.
Wir kommunizieren immer mehr als wir wollen. In Zeiten solcher Verunsicherung sollte sich jeder Unternehmer fragen, welche Signale er aussendet.
Zwar ist es eine finanzielle Hilfe, aber für die Mitarbeiter ist es schon ein erster Schritt, der Ängste schürt. Dies kann sich wiederum negativ auf deren Motivation auswirken.
Als junge Führungskraft in einem soliden Unternehmen erlebte ich 2001/02 den Zusammenbruch der sogenannten „New Economy“ mit. Mein Chef meinte damals nachdenklich: „Was man sich jetzt nicht vorstellen kann, ist, dass es nie wieder so sein wird, wie es bis vor Kurzem noch war…“ Er sollte recht behalten.
Auch wenn man über die Planer ruhig mal lachen darf – für Lethargie ist das Leben zu kurz und zu wertvoll. Passend zu dieser Haltung abschließend ein Spruch, den alle Asterix-Fans kennen. Häuptling Majestix hat die Gallier immer damit eingeschworen, wenn es darum ging, sich einem übermächtigen Gegner zu stellen:
Und denken Sie daran: Das einzige was passieren kann, ist, dass Ihnen der Himmel auf den Kopf fällt.
Zugegeben, wir hatten fast ein bisschen Glück: Wir sind Ende Januar nach 20 Jahren umgezogen und haben uns im Rahmen dessen komplett neu aufgestellt. Das ganze Team wurde mit mobilen Arbeitsgeräten ausgestattet und die dafür nötigen IT-Strukturen geschaffen. Während des Umzugs musste das Team bereits zwei Tage aus dem Homeoffice arbeiten. Da wussten wir noch nicht, dass es sich dabei um eine Art Generalprobe handelt. Denn dann kam Corona …
Die Ereignisse überschlugen sich, zuerst arbeiteten ab Mitte März alle Mitarbeiter mit Kita- und Schulkindern aus dem Homeoffice. Nur wenige Tage später beschlossen wir, auch alle anderen Kollegen sicherheitshalber aus dem Homeoffice arbeiten zu lassen, einfach um ein mögliches Ansteckungsrisiko zu minimieren.
Eine Herausforderung ist sicherlich, den Team-Zusammenhalt auch dann aufrecht zu erhalten, wenn jeder in seiner eigenen Wohnung sitzt. Klare Absprachen und Deadlines helfen, genauso wie regelmäßiger Kontakt über Messenger (in unserem Fall Zulip) und Video-Konferenzen. Der Unterschied zu reinen Telefon-Calls ist deutlich spürbar. Als kleines Dankeschön dafür, dass alle so zusammenhalten, haben wir „Care-Pakete“ mit Schokolade, Wein und anderen Leckereien an die Mitarbeiter verschickt. Darüber haben sich alle sehr gefreut.
Natürlich gehen die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona nicht spurlos an uns vorbei – manche Aufträge werden storniert, Abos unserer Nachrichtenagentur gekündigt. Da heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das fällt uns vielleicht leichter als anderen, da wir in den letzten Jahrzehnten schon so manche Krise miterlebt haben – und bisher immer gut aus diesen herausgekommen sind.
Auf der ganz persönlichen Seite sehen wir: Wessen Kinder den ganzen Tag um einen herumhüpfen oder wem in seiner kleinen Stadtwohnung der Lagerkoller droht, der kann nicht immer in dem Umfang arbeiten, wie wir es gewohnt sind. Aber ganz ehrlich: Der Output ist großartig! Das hätten wir anfangs nicht gedacht. Unser Tipp lautet deswegen:
Mitte Februar lief Corona in den Nachrichten meist noch unter Ausland. Zu dem Zeitpunkt überlegte ich mir für meine Altersvorsorge einen Einstieg in asiatische Aktien. Dabei wurde mir das erste Mal so richtig klar: Wenn Corona nach Europa kommt, trifft das auch unser Unternehmen mit voller Härte. Wir bieten für Veranstalter eine Live-Berichterstattung von ihren Events an. Mitte Februar fielen in Japan und Singapur bereits etliche Events aus. Zwei Wochen später traf Corona auch den deutschen Markt. Die ITB wurde abgesagt und in der folgenden Woche wurden uns unterschriebene Aufträge im Wert von anderthalb Monatseinnahmen storniert und unser Sales bekam kein neues Angebot mehr unterzeichnet.
Corona traf uns hart! Ende 2019 hatten wir unsere Bürofläche mit einem Umzug verdreifacht, die Aussicht für 2020 war gut, die Eigenkapitaldecke dagegen dünn. Zum Glück hatten wir in den Wochen zuvor bereits an einem Plan B gearbeitet. Noch am selben Wochenende der ITB-Absage stellten wir unsere Corona-Landingpage mit Alternativen für Veranstalter online und mailten unseren Kunden und Interessenten. In den folgenden zwei Wochen erarbeiteten wir einen Entscheidungsbaum für Veranstalter, ein Whitepaper mit Alternativen sowie ein fertig ausgearbeitetes Konzept als Beispiel, wie Events online transferiert werden können.
In der Krise haben wir also unser Angebot angepasst. Wir berichten jetzt nicht nur über Events, sondern wir produzieren sie gleich vollständig: Kunden bekommen von uns eine Event-Webseite, einen Livestream mit zugeschalteten Rednern, einen Liveblog sowie Interaktionsmöglichkeiten für die Teilnehmer.
Corona ist damit aber auch eine Herausforderung für uns alle: im Marketing, Sales, der Entwicklung, aber vor allem für meinen Mitgründer und mich. Wir haben die Ausgaben angepasst, Kündigungen mussten wir aber zum Glück nicht aussprechen. Mit Miet- und Steuerstundungen, der Soforthilfe-Corona sowie einem Dispo konnten wir die Ausfälle gut abfedern. Nur anderthalb Monate nach den Stornierungen sind wir finanziell wieder stabil:
Unsere Corona-Alternativen kommen gut an, wir konnten neue Kunden gewinnen und sogar einen Teil der Ausfälle wieder reinholen.
Ob wir damit auch für die nächsten Monate ausreichend gewappnet sind, wird sich aber noch zeigen.
Dabei arbeiten auch wir vollständig im Homeoffice. Wir sind als noch recht junges Unternehmen zu 100 Prozent in der Cloud organisiert, selbst die Festnetztelefone lassen sich mit jedem beliebigen W-Lan verbinden – technisch also kein Problem. Was uns aber allen fehlt ist das Persönliche. Mein Mitgründer und ich waren noch nie Freunde des Homeoffice und werden jetzt genau darin bestärkt. Am Ende bedeutet es für die meisten Kollegen weniger Trennung zwischen Privatem und Arbeit, dafür aber mehr Ergebnisdruck. Da es neben dem gesellschaftlichen Aspekt aber auch das Risiko von Ausfällen in der Firma reduziert, bleiben wir auf unbestimmte Zeit daheim.
Momentan haben wir unglaublich viel zu arbeiten. Während die einen nichts mehr zu tun haben – etwa die Kassen- und Servicekräfte –, gibt es für die anderen viel zu organisieren. Es müssen Vereinbarungen zur Kurzarbeit getroffen werden, aber auch für die vielen Mitarbeiter, die nicht unter die Regelung zum Kurzarbeitergeld fallen, wie Studenten und Mini-Jobber, müssen wir eine Lösung finden. Wir sind außerdem im Gespräch mit Vertragspartnern, wie etwa Reinigungsunternehmen, die ja auch Leidtragende der Krise sind, weil es einfach nichts mehr zu putzen gibt in den Kinos.
Ein Filmkunstkino funktioniert nicht nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Kino macht man aus Leidenschaft. Kinos zu betreiben ist personalintensiv, wir haben zudem hohe Mieten. Das ist eine Herausforderung. Alles hängt davon ab, wie lange die Krise dauert, sonst wird das für viele Kinos schnell existenzgefährdend. Zumal sich einige Probleme nach hinten verschieben. Etwa, wenn in ein paar Monaten Steuern, Darlehen oder Liquiditätshilfen zurückgezahlt werden müssen.
Das wird unseren Markt ganz massiv beeinflussen, es wird Insolvenzen geben.
Wir gehen auch nicht davon aus, dass nach der Krise alles sofort wieder normal weiterläuft. Was ist, wenn ich nur jeden zweiten oder dritten Sitzplatz verkaufen darf, weil es Abstandsbegrenzungen gibt? Außerdem: Wenn jetzt keine Festivals stattfinden, wenn Filme nicht fertig produziert werden, dann haben wir auch später im Jahr noch massive Probleme. Ein Restaurant, das jetzt zu hat, hat nach der Schließung die gleiche Speisekarte. Bei uns ist das anders.
Wir erfahren momentan aber auch beeindruckend viel Unterstützung von unserem Publikum. Wir haben noch nie so viele Gutscheine verkauft wie jetzt, nicht mal zu Weihnachten.
Ich glaube, die Leute werden sich aufs Kino freuen, sie werden es, so wie andere Orte der Alltagskultur auch, mehr schätzen. Es gab eine Befragung in China, worauf sich die Menschen nach dem Lockdown am meisten freuen. An erster Stelle wurde der Restaurantbesuch mit Freunden genannt, direkt dahinter, mit nur einem Prozentpunkt Abstand, kam das Kino. Das gibt Hoffnung.
Als die ersten Verhaltens-Richtlinien zur Corona-Krise publik wurden, war ich zunächst zwiegespalten. Persönlich fand ich das alles nachvollziehbar und richtig. Denn was passiert, wenn jemand SARS-CoV-2 unwissentlich in die Agentur bringt? Was mache ich, wenn deshalb ein Großteil der Kollegen in Quarantäne muss? Das würden wir wirtschaftlich nicht überstehen. Und natürlich macht Homeoffice da Sinn, ist sogar zwingend.
Und dennoch hatte ich Bedenken. Denn da war es wieder, dieses „Modewort“: Homeoffice. Ja, ich gebe es zu. Ich war bis dato absolut kein Fan von Homeoffice. Man mag mich deshalb altmodisch nennen. Als zusätzlicher Anreiz für Arbeitnehmer ist es sicher ein nützliches Instrument. Doch die Effizienz des ganzen Unternehmens leidet. Da war ich mir aus meiner langjährigen Erfahrung mit diesem Thema sicher.
Trotzdem stand außer Frage, ab Mitte März allen Mitarbeitern die freie Wahl zu lassen – Homeoffice oder Büro. Seitdem nutzen rund 90 Prozent die Homeoffice-Option. Und ja, auch das gebe ich zu, es funktioniert dank Microsoft Teams, Slack, VPN, altmodischem Telefon usw. erstaunlich gut. Die Meetings werden wahrgenommen, die Aufgaben erfüllt, der Austausch untereinander klappt und auch die Stimmung ist den Umständen entsprechend gut. Durch die täglichen Meetings mit den Teamleitern ist der gemeinsame Austausch vielleicht sogar intensiver als zuvor.
Natürlich geht die Krise auch an uns nicht spurlos vorüber und einige Kollegen sind aktuell in Kurzarbeit. Aber wir können durch die genannten Instrumente die Situation besser meistern als andere Branchen. Und das wissen wir sehr zu schätzen. Wir definieren tägliche Arbeitspakete für jeden Mitarbeiter und auch die Kreativmeetings per Videochat liefern einen tollen Output, statt des erwarteten Chaos. Die gegenseitige geäußerte Wertschätzung nimmt zu.